Am 10. Februar diesen Jahres erblickte eine neue Software für kreatives Design das Licht der Öffentlichkeit: Affinity Photo geht in die kostenfreie Beta-Phase und ist exklusiv für Mac OS X erhältlich. Das Programm versteht sich als High-End-Konkurrenz zu Adobe Photoshop, den unumstrittenen Platzhirschen der Branche. Nach der Beendigung der Beta-Phase wird Affinity Photo exklusiv im Mac App-Store für voraussichtlich schmale € 49.99 erhältlich sein. Heute werfen wir einen genauen Blick auf die neue Software, die auch auf Deutsch erhältlich ist, und vergleichen sie mit dem großen Konkurrenten, Adobe Photoshop.
Erste Eindrücke der Affinity Photo App
Affinity Photo befindet sich in einer kostenfreien Beta-Phase. Jeder kann sich für die Nutzung registrieren und das Programm eingehend testen, ohne das Zwiebelleder bemühen zu müssen. Als erstes fällt die Geschwindigkeit auf, mit der sich die App öffnet. Affinity Photo ist in weniger als der Hälfte der Zeit, die Photoshop benötigt, bereits betriebsbereit. Liegt das am kleineren Featureset? Die Oberfläche ist modern, klar, aufgeräumt und kommt mit einer modernen, dunklen UI daher. Photoshop-Nutzer fühlen sich sofort heimisch, weil sich Werkzeuge und andere wichtige Elemente an den bekannten Plätzen befinden.
Affinity Photo wendet sich eindeutig an Design- und Foto-Schaffende, die jeden Tag auf die Software angewiesen sind. Professionelle Fotografen profitieren von Features wie Frequenztrennungs-Bearbeitung, Live-Mischmodi, Fehlerkorrekturen und erweiterte Retusche. Im Gegensatz zu anderen vermeintlichen Photoshop-Rivalen verfügt die Software über End-to-End-CMYK, 16-Bit pro Kanal Bearbeitung, LAB-Farbraum, RAW-Verarbeitung, ICC-Farbmanagement, Photoshop PSD-Kompatibilität, sowie über eine 64-Bit Plugin-Kompatibilität zum Bestand des Gegners.
Affinity Photo ist mit OS X Lion 10.7.5 und höher auf der Intel Macs 64-Bit Plattform kompatibel und ist zur Zeit verfügbar in Englisch, Deutsch, Spanisch und Französisch. Anwender von Affinity Designer werden sich freuen, zu hören, dass die Zusammenarbeit zwischen beiden Programmen problemlos und intuitiv, fast schon nahtlos funktioniert.
Da die Beta noch recht frisch auf dem Markt ist, kann noch keine zuverlässige Aussage getroffen werde, ob alle beliebten Photoshop-Aktionen importiert werden können. Aber dessen Plugins und Stile für Photoshop können definitiv mit Affinity Photo verwendet werden.
Für den folgenden Vergleich haben wir Photoshop CS5 herangezogen, obwohl wir auch die aktuellste CC-Version zur Verfügung haben. Wir glauben, dass das Szenario eines Wechselwilligen eher dieser Konfiguration entspricht. Denn diejenigen Designer, die ohnehin immer die Jahresupdates von Adobe mitgemacht haben, können nicht die sein, die Sturm gegen das Abo-Modell laufen. Denn das Abo-Modell ist ja billiger als das vorherige Jahresupdate-Modell. Hinzu kommt: wieso sollte jemand, der die CC abonniert hat, in Erwägung ziehen, zu Affinity zu wechseln? Können wir uns nicht vorstellen.
Die Oberflächen: Affinity Photo vs. Photoshop
Affinity Photo
Ein Klick auf das Bild öffnet einen hochauflösenden Screenshot
Photoshop CS5
Ein Klick auf das Bild öffnet einen hochauflösenden Screenshot
Da ich Photoshop CS5 verwende, fällt mir natürlich sofort die Retina-Display-Unterstützung von Affinity Photo ins Auge. Doch das ist nur natürlich, denn Photoshop CS5 stammt aus 2011 und wurde nicht auf Retina-Unterstützung programmiert. Ein weiterer Fakt ist die gleiche Anordnung der einzelnen Elemente, Werkzeuge und Funktionen. Der linke Werkzeugbereich ist bei beiden Anwendungen mehrfach belegt und auch der rechte Bereich ist ähnlich strukturiert. Der wirkliche Unterschied fällt sofort auf, denn bei Photoshop ist vieles in die rechte Seitenleiste ausgelagert, was sich in der Übersichtlichkeit eher negativ auswirkt.
Affinity Photo geht hier einen anderen Weg, vieles ist hier in die obere Leiste integriert worden, was der Übersichtlichkeit sehr zuträglich ist. Die obere Leiste kann auf eigene Bedürfnisse hin optimiert und angepasst werden. Die Programme verfügen über viele Gemeinsamkeiten, die Funktionsvielfalt ist ähnlich. Obwohl Photoshop natürlich immer noch umfangreicher ist und über eine regere Community verfügt. Das fehlt Affinity Photo noch, sollte aber angesichts der Tatsache, dass Adobes Bolide seit 25 Jahren am Markt ist, niemanden wirklich überraschen.
Viele Funktionen aus Photoshop sind auch in Affinity Photo vorhanden und zumeist an derselben Stelle zu finden. Die häufigsten Filter befinden sich bei beiden Programmen an derselben Stelle, allerdings besitzt Photoshop noch etliche mehr als sein günstiger Konkurrent. Sicherlich, Photoshop muss ja seinen Preis irgendwie rechtfertigen können.
Ein Vergleich: Fotos für das Web speichern
Die für mich als Autor wichtigste Funktion ist das Zurechtschneiden und Abspeichern von Fotos für die Nutzung im Internet. Daher ist ein Vergleich beider Programme mit denselben Einstellungen recht interessant. Ich denke, so wird es auch den meisten Bloggern gehen, die viel mit Bildmaterial arbeiten. Als Einstellung wähle ich: Qualität 80%, Zuschnitt auf 640 Pixel Breite und die Einstellung “Bikubisch”. Das Ausgangsbild ist 647 KB groß mit den Ausmaßen von 1732 × 1155 Pixel.
Beispielfoto Affinity Photo (70 KB):
Beispielfoto Photoshop (110 KB):
Der Unterschied in der ausgegebenen Dateigröße ist extrem. Die Qualität des ausgegebenen Fotos von Photoshop ist natürlich besser, wird aber durch eine bedeutend höhere Dateigröße erkauft. Im Sinne der SEO und der Performance einer bildlastigen Website hat Affinity Photo klar die Nase vorn. Schon bei wenigen Bildern pro Artikel spart man recht viel an bremsender Dateigröße ein.
Die Exportfunktion von Affinity Photo
“Für Web und Geräte speichern” heißt bei Affinity “Exportieren” und ist zu finden unter dem Menüpunkt “Datei”. Die Exportfunktion von Affinity Photo ist sehr umfangreich. Man kann nicht nur als PNG, GIF und JPG speichern, sondern auch als TIFF, PSD und PDF.
Speichermöglichkeiten unter Affinity Photo – “Exportieren”
Speichermöglichkeiten unter Photoshop – “Speichern unter”
Rechnet man die “Speichern unter”-Funktionen bei Photoshop hinzu, bietet das teurere Programm natürlich wesentlich mehr Möglichkeiten zum Abspeichern von Dateien an. Bei Affinity Photo hingegen gibt es keine weiteren Dateiformate zum Speichern, denn unter “Speichern unter” wird nur das native Dateiformat angeboten, man kann also nichts weiteres auswählen.
Trotzdem sind die angebotenen Funktionen von Affinity für ein Programm mit einem angepeiltem Verkaufspreis von nur € 49.99 schon ziemlich gut und für die meisten Anwendungsbereiche sicherlich ausreichend.
Affinity Photo Beta im Video
Einige Funktionen von Affinity Photo im Test
Das Gute an der Oberfläche von Affinity Photo ist die Übersichtlichkeit. Alle Module sind standardmäßig aktiv und werden angezeigt. Natürlich sind es eine ganze Menge weniger als in Photoshop, doch die Navigation durch die Menüs ist – nicht zuletzt dadurch – auch wesentlich einfacher.
Gaußscher Filter
Photoshop hat eine Menge mehr an Filtern zu bieten, doch die wichtige Frage steht natürlich im Raum: Brauchen wir das alles? Das, was Affinity an Filtern bietet, lässt sich intuitiv bedienen. Die Einarbeitungszeit in das neue Programm ist recht kurz und erste, gute Ergebnisse gelingen schnell.
Unscharf maskieren
Photoshop hat sehr viel mehr Schärfe-Filter, doch für viele Anwendungsbereiche sollten “Klarheit” und “Unscharf maskieren” ausreichen.
Arbeit mit Texten
Grundsätzlich empfinde ich die Arbeit mit dem Text-Werkzeugen als relativ einfach, sogar einfacher als in Photoshop. Einmal geschriebene Texte können nicht nur frei bewegt, sondern auch beliebig gezoomt und in der Größe angepasst werden. Auch der Winkel, in dem der Text stehen soll, ist sehr einfach zu gestalten – Textrahmen anfassen und in den passenden Winkel verschieben. Die Möglichkeiten sind bei Photoshop allerdings umfangreicher, aber weniger einfach zu verwenden.
Ich vermisse zur Zeit das “Ineinanderkopieren” von Text-Schatten in den Text. Das würde ich auf meine Wunschliste für eine spätere Version setzen.
Die “Zeichen”-Funktion von Affinity gefällt mir sehr gut. Hier hat der günstige Rivale dem Platzhirschen wirklich etwas voraus.
Fotobearbeitung Affinity Photo vs. Photoshop
Für viele Fotografen sind die vielfältigen Möglichkeiten zur Foto-Nachbearbeitung in Photoshop ein Kaufgrund gewesen. Sehr vieles kann im Programmteil “Camera Raw” manuell angepasst und beeinflusst werden, sofern es sich um eine JPEG-/JPG- oder RAW-Datei handelt.
Wichtig für professionelle Fotografen ist auch die Bearbeitung von Fotos im RAW-Format, das beide Programme beherrschen.
Photoshops Möglichkeiten zur Nachbearbeitung
Affinitys Möglichkeiten zur Nachbearbeitung
Zur Anzeige aller Möglichkeiten habe ich den Umweg über die Ebenen genommen, jedoch sind alle Funktionen in der rechten Sidebar leicht zugänglich.
Auch hier bietet Photoshop etwas mehr an Möglichkeiten, jedoch sind die praktischen Auto-Korrekturen nur über das Menü zugänglich und nicht wie bei Affinity gleich über die obere Leiste. Unter Umständen arbeitet es sich mit dem Schnellzugang also komfortabler.
Die gut zugänglichen Auto-Korrekturen der Fotonachbearbeitung in Affinity Photo
Die Auto-Korrekturen im direkten Vergleich
Um einen direkten Vergleich der Foto-Auto-Korrekturen beider Programme zu haben, wähle ich ein nicht sonderlich gelungenes Foto aus und lasse die Auto-Korrekturen der jeweiligen Programme darüber laufen. Ich verlinke zum besseren Vergleich auch das Original-Bild, damit Sie sich einen besseren Eindruck von den Möglichkeiten beider Programme machen können. In Photoshop wendete ich die Auto-Korrekturen “Auto Farbton”, “Auto Kontrast” und “Auto Farbe” an und in Affinity die Korrekturen “Auto Tonwert”, “Auto Kontrastkorrektur” und “Auto Farbkorrektur”.
Das Originalbild – Hamburger Hafen
Ein Klick auf das Bild öffnet die Original-Datei
Auto-Korrektur mit Adobe Photoshop
Ein Klick auf das Bild öffnet die Original-Datei
Auto-Korrektur mit Affinity Photo
Ein Klick auf das Bild öffnet die Original-Datei
Auto-Korrektur Affinity Photo ohne Auto Farbkorrektur
Ein Klick auf das Bild öffnet die Original-Datei
Sicherlich erzeugen beide Programme ansprechende Ergebnisse. Die Entscheidung, welches Ergebnis nun das Bessere ist, überlasse ich dem Betrachter.
Affinity Photo – Arbeitsbereiche
Affinity Photo bietet verschiedene Arbeitsbereiche, Personas genannt. Diese Personas sind Module, die jeweils für einen spezifischen Anwendungsbereich die dafür nötigen Werkzeuge zur Verfügung stellen. Es existieren zur Zeit folgende Personas: Photo, Liquify, Develop (für Raw-Bilder), Macro (für die Aufzeichnung von Aktionen) und Export. Etwas ähnliches wären die Photoshop-Arbeitsbereiche, doch es ist nicht ganz dasselbe.
So erreichen Sie die einzelnen Personas:
Mit dem Liquify Persona kann man surreale Verwirbelungs- und Verzerrungs-Effekte erstellen.
Das Export Persona bietet vielfältige Möglichkeiten des Exports von Bildern an, zum Beispiel kann man sie in 3-facher Dateigröße exportieren. Auch das Erstellen von Slices ist im Export Persona möglich.
RAW-Dateien bearbeiten
Photoshop: Photoshop bietet umfassende Möglichkeiten zur Bearbeitung von RAW-Dateien in Camera RAW. Eine Funktion, die Affinity Photo zur Zeit noch nicht bietet, ist das Drehen (90 Grad im und gegen den Uhrzeigersinn) von Dateien.
Affinity Photo: Ansonsten steht Affinity Photo Photoshop in den Möglichkeiten der RAW-Foto-Bearbeitung nicht nach. Ganz im Gegenteil sogar, die Funktionen für die RAW-Bearbeitung scheinen in Affinity Photo wesentlich umfassender zu sein. Wie ich bereits erwähnte, fehlt nur die Möglichkeit des Drehens von Fotos. Die Funktionen zur Bearbeitung von RAW-Dateien sind im Develop Persona gebündelt.
Die rechte Seitenleiste von Affinity ist im Develop Persona ausschliesslich der RAW-Bearbeitung vorbehalten und bietet echte Funktionsvielfalt.
Das Macro Persona für die Aufzeichnung von Aktionen ist in der von mir getesteten Beta-Version (1.1.2.22821) leider nicht funktional, so dass keine Aussage darüber getroffen werden kann.
Fazit
Affinity Photo erscheint bereits in der Beta-Phase als erste echte, ernst zu nehmende Alternative zu Adobe Photoshop. Die Funktionsvielfalt ist für ein Programm in der angepeilten Preis-Kategorie unglaublich. Gleichzeitig wurde viel Wert auf eine leicht verständliche Arbeitsweise mit dem Programm gelegt. Vieles ist intuitiv zu erfassen und wer bereits mit Photoshop gearbeitet hat, kommt mit Affinity Photo sofort zurecht. Sicher wird man sich an die eine oder andere Funktion erst gewöhnen müssen, doch ist die Lernkurve im Umgang mit Affinity Photo wesentlich steiler als bei seinem High-End-Konkurrenten.
Tutorials oder eine Dokumentation zum neuen Programm sind leider noch nicht vorhanden, doch können im Affinity-Forum Fragen gestellt und Anregungen für zukünftige Versionen gegeben werden.
Mit Alternativen zu Photoshop haben wir uns bei Dr. Web schon in der Vergangenheit beschäftigt.
Links zum Beitrag
- Affinity Photo Beta Homepage mit Registrierung zum Download
- Affinity Photo Blog mit Neuigkeiten zu den Programmen
- Das Affinity Forum
- Affinity Designer, die Alternative zu Adobe Illustrator
- Adobe Photoshop CC
(dpe)